Herausgegeben von der Ortsgruppe Bad Münder des Heimatbundes Niedersachsen e.V.
Der 87jährige Friedrich Siegmann schrieb diese Chronik im Jahre 1992 aus dem Gedächtnis nieder. In zahlreichen Gesprächen mit dem Redakteur erhielten die Aufzeichnungen 1994 ihre endgültige Form...
Teil 3: Originale
Pastor Holscher wollte die Konfirmanden des Jahres 1890 nicht konfirmieren, weil sie zur Abschlußfeier Zwiebeln mitbrachten, um ordentlich weinen zu können. Die Eltern gerieten in helle Aufregung. Schließlich gab der Geistliche nach. Der Konfirmand Isermann war wohl frech geworden, darum lautete sein Spruch: "Verlaß Dich auf den Herrn und nicht auf Deine große Kraft!"
Ein Junge namens Ritzenhüttel arbeitete beim Pastor, als dieser noch selbst eine Landwirtschaft betrieb. Er fing für ihn Mäuse und Spatzen und brachte sie ihm in sein Wohnzimmer. Der Geistliche zählte sie, bezahlte sie stückweise und warf sie danach einzeln aus dem Fenster. Der gewitzte Ritzenhüttel lief sofort in den Garten, sammelte die dort liegenden Kadaver auf und legte sie dem Pastor noch einmal vor. Wenn er Wasser vom Posten holen mußte, stand ihm nur ein Eimer zur Verfügung. Damit er beidseitig gleichmäßig belastet war, trug er auf der einen Seite den gefüllten Eimer und auf der anderen einen Holzklotz. Bei einem Heimatfest spielte er den Adjutanten des Obersten. Als Fernglas benutzte er ein Ofenrohr mit Knie. Als er hindurchgeschaut hatte, meldete er: "Ich glaube, wir gewinnen!" Zuletzt diente er als Lakai beim Förster in Hemschehausen. Wollte dieser einen Fuchs jagen, legte sich Ritzenhüttel vor den Bau, steckte seine Nase hinein, schnupperte und verkündete: "Der Fuchs ist drinne!"
Die Gebrüder Wehrhahn, ihres Zeichens Nagelschmiede, waren sehr klein. Man nannte sie Punjers. Einer war mit einer ebenfalls recht kleinen Frau namens Johanne verheiratet. Die Leute sagten Linsenbund zu ihr. Er legte sich einmal in angeheitertem Zustand quer ins Bett und rief, als er erwachte, seiner Frau zu: "Ich glaube, ich bin gewachsen! Ich stoße mit Kopf und Fuß an die Bettkanten!"
Der Steinbrecher Nolte besaß einen kleinen Hund. Der begleitete ihn ständig. Während sein Herr im Steinbruch arbeitete, sonnte er sich gern auf den Felsen. Einmal stieß ein Habicht auf ihn nieder und versuchte, ihn zu packen und mit ihm davonzufliegen. Der Hund kam aber noch einmal mit dem Schrecken davon. Seither schlief er jedoch sehr unruhig und kläffte selbst im Schlaf. Zu Nolte sagten die Leute auch Ammenmaker, zu seiner Frau Ammenlottchen, weil sie Amme bei H. Warnecke gewesen war.
Wer in Nettelrede fremdging, dem brachte man bei Nacht ein Sensenkonzert. Die Knechte erschienen dazu mit Sensen und die Gesellen mit Pottdeckeln. Sie begleiteten ihre fürchterliche "Musik" mit einem herausfordernden Text. Das war für die Betroffenen eine ganz unangenehme Sache. Ich selbst erinnere mich an zwei solcher Fälle.